Jedes Jahr in der Fastenzeit verändert die Pfarrkirche St. Georg ihr Aussehen: Im Altarraum hängt dann ein riesiges Fastentuch. Es zeigt, in Schwarz auf graues Leinen gemalt, 30 Szenen aus der Bibel. Eine Art Bilderbibel also, die zur Betrachtung und Meditation einlädt. In den einzelnen Episoden wird Gottes Nähe zu den Menschen thematisiert – auch in Leid und Tod.
Geschaffen wurde das Fastentuch in den Jahren 1968/1969 von Ernst Wengert, einem Lehrer aus Hohenbachern. An ihn war der damalige Stadtpfarrer Walter Brugger herangetreten, den die Frage umtrieb, wie man das zentrale Auferstehungsfenster der Kirche in der Fastenzeit verdecken könnte. Das Tuch ist etwa 50 Quadratmeter groß, es besteht aus fünf Bahnen, die neun Meter lang und jeweils gut einen Meter breit sind.
Ziemlich in der Mitte findet sich der Satz: „Danket dem Herrn, denn er ist gut.“ Ein Zitat aus den Psalmen. „Gott ist da, er ist uns nahe und er meint es gut mit uns“, sagt Theresa Reischl, Pastoralbeauftragte für St. Georg, „eine gute Botschaft, über die wir uns in der Mitte der Fastenzeit freuen können“. Reischl erläutert in einem Film das Freisinger Fastentuch näher:
Für weitere Informationen zum Fastentuch liegt am Schriftenstand hinten in der Kirche eine Broschüre aus. Darin erläutert der Künstler sein Vorgehen, seine Absicht und die Frage, und was er sich zu einzelnen Szenen und zur Gesamtkonzeption gedacht hat. Die 30 Bilder werden einzeln vorgestellt und sind mit Worten zum Nachdenken und Meditieren versehen, die Michael Schlosser, ehemaliger Pfarrer von St. Georg, verfasst hat.
Die Geschichte der Fastentücher
Fastentücher in Kirchen gibt es schon lange, seit dem neunten Jahrhundert mindestens. Ursprünglich sollten sie den Hochaltar verhüllen oder sogar den Altarraum von den Gläubigen abtrennen. Zum einen wurde damit an den Tempelvorhang in Jerusalem erinnert, zum anderen mussten die Gläubigen so „mit den Augen fasten“. Angeblich kommt von daher auch die Redewendung „am Hungertuch nagen“: Ursprünglich hieß es „am Hungertuch nähen“, daraus wurde „nagen“. Es geht nicht nur um materielle Armut, sondern auch um die scheinbare Gottesferne, die sich im Verhüllen ausdrückt.