Es sind ein paar Tränen geflossen, mehr aber wurde geklatscht und gelacht – und noch mehr gesungen. Nach drei Jahrzehnten hat die Gemeinde von St. Georg am Sonntag, 22. Juni, ihre Kirchenmusikerin Angelika Sutor verabschiedet. Mit einem Gottesdienst, dessen musikalische Wucht in dieser alten Kirche nicht oft zu hören gewesen sein dürfte. Und mit einem Fest, bei dem kaum zu überhören und zu übersehen war, dass hier eine besondere Zeit zu Ende geht.
Sutor habe „nicht nur Tasten bewegt, Noten gelesen, Stimmen geformt und Ensembles geleitet“, sagte Stadtpfarrer Daniel Reichel in seiner Predigt. „Nein – sie hat Menschen bewegt, begleitet, inspiriert und zusammengeführt.“ Menschen allen Alters. Sutor sei eine „Seelsorgerin durch Klang“, sie habe „in diesen drei Jahrzehnten ein Stück Himmel hörbar gemacht“ und so das Evangelium verkündet: „Nicht mit Worten, sondern mit Klängen. Und oft ist ein musikalischer Moment tiefer und bleibender als jede noch so kluge Predigt.“
Solche Momente schufen im Gottesdienst mehr als 100 Sängerinnen und Sänger. Sie sangen die Missa Pueri Cantores Treverensis von Christian Matthias Heiß, ein letztes Mal dirigiert von Sutor, begleitet von Max Nockmann an der Orgel und den Freisinger Turmbläsern.
Die Stelle in Freising hatte Sutor im April 1995 – nicht lange nach dem Ende ihres Studiums –angetreten. Nun wechselt sie diese und zieht nach Bad Tölz. „Du hast dich mit Herz und Seele eingebracht, und das wird uns allen sehr fehlen“, sagte Birgit Flegler, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats. Und sie erinnerte an Sutors große Spontaneität, was Probenpläne, Messen oder Konzerte betrifft. „Doch am Ende wussten wir dann noch immer vor Beginn des Gottesdienstes, was wir singen würden.“
Konstanze Schöntaler und Pfarrerin Manuela Urbansky berichteten davon, wie hoch die Anziehungskraft von Sutors anspruchsvoller Chorarbeit auch für evangelische Freisinger gewesen sei. „Wir haben uns immer willkommen gefühlt im St. Georgs-Haus.“ Und Verwaltungsleiterin Liese Maier rief nicht zuletzt ins Gedächtnis, wie Sutor während der Corona-Pandemie die Kirchenmusik habe weiterleben lassen, wie sie in dieser Zeit Musikern ermöglicht habe, ihrer Leidenschaft und ihrem Beruf nachzugehen – und wie sie den auf Abstand im Kirchenschiff verteilten Gemeindemitgliedern trotz der seltsamen Atmosphäre besondere Erlebnisse verschaffte.
Zahlreiche gesungene Darbietungen der verschiedenen Ensembles, die Sutor leitete, gestalteten den Empfang nach der Messe, in dem auch die immer wieder mit großem Applaus Gefeierte das Wort ergriff. „Meine berufliche, geistige und geistliche Heimat zu verlassen, fällt mir schwer“, sagte Sutor. Mit Freude denke sie an die Zeit in Freising zurück, an die überraschende Entwicklung, die manch eine brummende Kinderstimme plötzlich genommen habe, an ihre preisgekrönten Jugend-A-Capella-Ensembles Chiave und Boice, an „ein geistiges Miteinander, gestärkt durch gemeinsame Aufführungen“. Und doch habe sie der Gedanke begleitet, „noch einmal einen neuen Start zu wagen“, eine „neue berufliche und private Perspektive“ zu öffnen.
An ihrer neuen Kirchenmusikerinnen-Stelle wird sie nun endlich, nach drei Jahrzehnten, auf einem eigenen Dirigentenpodest stehen und arbeiten können. Ein Geschenk der Chöre – und etwas, das in Bad Tölz bislang nicht vorhanden war, wie Recherchen ergeben haben. Und das ist sicher der geringste aller Gewinne, die die Tölzer aus Sutors Wechsel ziehen können. Aber wenn sie das Podium umdreht, hat sie weiterhin Freising vor Augen: die Unterschriften der Musikerinnen und Musiker, die sie nun gehen lassen müssen.
Ein paar Bilder vom Gottesdienst und vom Stehempfang:
Die Predigt von Stadtpfarrer Daniel Reichel: